Wie führt man ein Familienunternehmen in die Zukunft?
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Ein Gespräch mit Andrea Schell, Inhaberin und geschäftsführende Gesellschafterin bei der SCHELL GmbH & Co. KG
Normalerweise säße Andrea Schell jetzt, wie jeden Dienstag um diese Zeit, in einem wöchentlichen Jour Fixe mit ihrem Personalleiter. Heute aber hat sie sich Zeit genommen, um über ihre Firma zu sprechen. Als geschäftsführende Gesellschafterin führt sie das Unternehmen in dritter Generation. Andrea Bußmann und Andreas Ueberschär komplettieren die Geschäftsführung. Als geschäftsführende Gesellschafterin ist Andrea Schell in der verarbeitenden Metallindustrie eher eine Seltenheit in Deutschland. Damit verkörpert sie einen wichtigen Aspekt des Themas, über das wir heute sprechen wollen: Familienunternehmen zwischen Tradition und Wandel.
Welche besonderen Stärken machen ein Familienunternehmen aus und welche Stärken sind dies insbesondere bei der Firma SCHELL?
Unser Familienname ist gleichzeitig unser Markenname. Er ist mit der Qualität unserer Produkte und unseres Service direkt verbunden. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, haben wir eine hohe Eigenfertigungstiefe – unser ganz besonderer Vorteil, der für uns sehr wichtig ist. Wir können so Risiken minimieren und die Qualität stetig steigern.
Als Familienunternehmen erreichen wir ein Niveau an Kundennähe und Service, das für große Konzerne nur schwer möglich ist. Vom Einkauf der weiter zu verarbeitenden Materialien bis hin zum Versand, befinden sich alle Abläufe und Prozesse in unseren Gebäuden. Durch die kurzen Wege sind schnelle Absprachen, eine enge Zusammenarbeit der einzelnen Abteilungen und eine ausgesprochene Flexibilität möglich. Brauchen wir externe Hilfe, schöpfen wir aus einem vertrauten Pool. Viele unserer externen Dienstleister von Zulieferern über Maschinenhersteller bis hin zu unserer Rechtsanwaltskanzlei und Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, sind alle bereits langjährige Partner, die unsere „Unternehmens-DNA" sowie unsere Mitarbeiter kennen. Auch das ist ein großer Vorteil in Sachen schneller, flexibler und unkomplizierter Zusammenarbeit.
Ein weiterer wesentlicher Punkt: Wir sind durch unsere Kapitalausstattung, die von den beiden Gesellschaftern, also von meinem Bruder und mir, gestellt ist, in unserer ganzen Firmenhistorie schon immer bankenunabhängig gewesen. Damit sind wir sowohl bei Investitionen als auch bei strategischen Entscheidungen mit enormer Flexibilität und Entscheidungsgeschwindigkeit ausgestattet. Durch meine Position als Geschäftsführerin für Finanzen und Personal, bin ich jeden Tag am Puls des Unternehmens – was die, wenn Sie so wollen „harte Zahlenbasis“ betrifft – sowie auch am Puls des Hauses, in Bezug auf seine andere wesentliche Ressource – den Menschen.
Wie sehen Sie die Rolle Ihres Familienunternehmens in der Wirtschaft?
Die mittelständische Wirtschaftskultur hat im Sauerland eine lange Geschichte und ist fest verankerter Bestandteil des Lebens hier. Unsere komplette Fertigung befindet sich immer noch - und das seit Gründung - hier in Olpe. Das ist „made in germany“ in Reinkultur.
Mittlerweile sind wir aber auch weit über die Grenzen der Stadt Olpe hinausgewachsen und, mit Tochtergesellschaften z.B. in Belgien, Österreich, Polen, Indien und Singapur, zu einem weltweit agierenden Unternehmen geworden, das eine Exportquote jenseits von 50% aufweisen kann. Zusammen mit vielen anderen Familienunternehmen ist SCHELL aber nach wie vor ein wichtiger Stützpfeiler der Region in Bezug auf das wirtschaftliche Geschehen. Das danken uns unsere Kollegen mit Treue. Wir sind stolz darauf eine sehr geringe Fluktuation unter unseren Mitarbeitern zu verzeichnen. Die meisten der Kollegen sind bereits seit etlichen Jahren oder oft sogar seit Jahrzehnten in unserem Unternehmen tätig. Auch das bedeutet Sicherheit für die Region, Sicherheit für die Bewohner der Region – somit für die Menschen, die unsere Region prägen.
Eingestaubt sind wir deshalb nicht. Wir versammeln unter unseren Mitarbeitern eine hervorragende Mischung an langjähriger Erfahrung und neuen innovativen Ideen. Denn wir haben trotz des inzwischen viel diskutierten „Fachkräftemangels“ noch immer als Arbeitgeber überzeugen und freie Positionen bewährt besetzen können. Mit unseren innovativen Produkten sind wir ein attraktiver Arbeitgeber, der zukunftsorientiert Chancen bietet.
Hierzu ein kleiner Gedankenanstoß: Vor kurzem las ich auf die Frage „sind Mittelständler, und damit ja viele Familienunternehmen, die besseren Start-Up’s?“ folgende Antwort, die ich hier gerne wiedergebe: „Junge Leute zieht es verstärkt in Start Up’s. Dabei könnten sie sich bei vielen Mittelständlern ebenso gut entfalten“. Vielleicht ist es Zeit, diesen Gedanken einmal populär zu machen.
Was bedeutet Führung für Sie?
Insbesondere in unserer Firma bedeutet Führung nicht in der Chefetage zu sitzen und sich zurück zu lehnen, sondern vielmehr am Tagesgeschäft aktiv teilzuhaben. Wir Geschäftsführer kümmern uns, im Rahmen unserer Aufgabengebiete, um die einzelnen Aufgabestellungen und zusammen mit den Abteilungen um das Tagesgeschäft. Wir wissen immer was vorgeht und gestalten die Zukunft des Unternehmens tagtäglich mit. Dadurch, dass wir hier in Olpe alle an einem Standort versammelt sind, sind wir täglich ansprechbar. Wir haben regelmäßige Sitzungen zu wiederkehrenden Themen, aber auch die Flexibilität wenn’s mal „brennt“ ohne großen Aufwand zusammen zu kommen, um uns abzustimmen und auf kurzen Wegen zu einer Lösung zu finden.
Im Kern bedeuten Führung und Management für mich, klare Ziele zu formulieren, andere davon zu überzeugen, Veränderungen und Innovationen anzustoßen, unterschiedliche Meinungen von Kollegen zu einen und Vorhaben stringent umzusetzen. Darauf kommt es an, jenseits aller Managementmoden und geflügelten Wörter von „Agilität“ bis „Disruption“.
Für gute Führung sind dabei wenige Merkmale wichtig – Ehrgeiz und Leidenschaft um ein Ziel zu erreichen, Mut und Optimismus um Mitarbeiter dabei mitzunehmen, Kommunikationsbereitschaft um Vertrauen zu schaffen und zu bewahren. Ausdauer und Hartnäckigkeit – die beiden gehören für mich auch dazu. Denn wer führt, sollte Gegenwind aushalten können und muss von Zeit zu Zeit auch unpopuläre Entscheidungen treffen. Die aus Führung teilweise entstehende Distanz muss man aushalten können. Wer gut führen will, sollte aber vor allem Menschen mögen. Dazu gehört auch, die Mitarbeiter aktiv einzubeziehen. Ich weiß, dass ich auf die Kompetenz, Kreativität und Unterstützung der Mannschaft angewiesen bin.
Was bedeutet das Wort „Familie“ in Familienunternehmen für Sie? Welches Selbstverständnis ergibt sich daraus?
In einem Wort – Verantwortung. Durch die enge Zusammenarbeit mit den einzelnen Abteilungen stehen wir mit den meisten Mitarbeitern in persönlichem Kontakt. Uns ist es wichtig eine Arbeitssituation zu schaffen, die mit Höhen und Tiefen im Leben vereinbar ist. Dennoch hat unser Tagesgeschäft auch ernste Seiten und erfordert harte Arbeit. Jeder fügt sich in sein Arbeitsumfeld ein und erfüllt seine Aufgaben sehr zuverlässig. Sicherlich ist hier auch der Respekt, der jedem einzelnen Kollegen gegenüber erbracht wird, eine große Motivation. Für die Zuverlässigkeit, Loyalität und die Flexibilität unserer Mitarbeiter bin ich sehr dankbar.